Eine Nase für den Mops

Veröffentlicht 2013 und noch immer kein Thema beim FCI

Früher hatte er noch eine, jetzt soll er sie zurückbekommen:                                                                        Verantwortungsvolle Züchter geben dem Mops seine Schnauze zurück – und etwas längere Beine gleich dazu

Wenn Meike Gersen durch die Stadt spaziert, dann fallen Passanten ihr entweder vor die Knie oder sie beschimpfen sie. An diesem Tag fallen alle auf die Knie. „Och ist der süß!“: In Trauben kleben die Besucher an ihrer Becka und kraulen die braune Hündin, mit knapp drei Monaten die jüngste Teilnehmerin am Internationalen Mopstreffen in Berlin. Meike Gersen strahlt, man sieht ihr an, dass sie das gebraucht hat, den Zuspruch. An anderen Tagen blickt sie oft in finstere Gesichter. „Das ist doch Tierquälerei“, heißt es dann.

Keine Hunderasse polarisiert so sehr wie der Mops. Seine Fans zitieren gerne Loriot, der ein Leben ohne Mops möglich, aber sinnlos fand. Seine Gegner sprechen dem Mopsleben an sich den Sinn ab. Eine ekelhafte Parodie eines Hundes nennen sie das Tier, das auch im wachen Zustand ständig zu schnarchen scheint – was seine Besitzer als niedlich empfinden, Kritiker als klares Zeichen der Qualzucht erkennen.

Je nach Sichtweise hat der Mops Kuller- oder Glupschaugen, eine Stups- oder eingedötschte Nase, Kuschel- oder Wurstkörper. Auf jeden Fall hat er ein zu langes Gaumensegel, das verursacht das Schnarchen. Oft hängt dem Mops auch noch eine Fellfalte über die Nase, die sich leicht entzündet und die schlechte Atmung durch die platte Schnauze zusätzlich erschwert.

Deswegen, sagt Meike Gersen, könne sie die Beschimpfungen der anderen Spaziergänger nachvollziehen. Aber die würden etwas Entscheidendes übersehen. Sie hebt Becka hoch und tippt auf ihre Schnauze: „Sehen Sie die kleine Falte hier?“ Die hängt nicht über, sondern hinter der schwarzen Nase. „Wenn sie ausgewachsen ist, wird Becka eine deutlich ausgeprägte Schnauze haben.“

Das ist jetzt Mode: Der Mops trägt neuerdings Nase. Genau genommen ist dieser Trend allerdings nicht neu, sondern Retro. In der Tate Britain in London hängt ein Ölgemälde von William Hogarth, einem der bedeutendsten englischen Maler des 18. Jahrhunderts.

Das Hogarth-Bild ist ein Selbstporträt, im Vordergrund des Grafikers posiert sein Hund. Das Tier hat überraschend lange, schlanke Beine, einen kräftigen Körper und eine deutliche ausgeprägte, markante Schnauze. „Der Maler und sein Mops“, heißt das Werk von 1745. Eine Auflage des berühmten Nachschlagewerks „Brehms Tierleben“ von 1927 zeigt ein ähnliches Bild: Ein Mops, illustriert im Profil, auch seine Schnauze steht hervor.

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Der Mops, wie man ihn heute kennt, ist im Grunde genommen nicht sehr alt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen Züchter, das Kindchenschema (rundes Gesicht, große Augen) immer stärker zu betonen – was zu den bekannten Atemproblemen führte.

Sie habe sich schon lange einen Mops gewünscht, aber keinen leidenden, sagt Meike Gersen. Viele Züchter hat sie abgeklappert, bis sie auf den „altdeutschen Mops“ stieß. So nennen Tierhändler die Variante des Mopses, die sie nach den alten Vorbildern züchten.

Einer der ersten Züchter, die dem Trend folgten, war Ulrich Willms. 2001 hat er den Mops-Pekingesen-Rassehunde-Verband gegründet, weil ihm die geltenden Rassestandards nicht gefielen. „Ich wollte Möpse, die nicht röcheln“, sagt der Züchter. Also fuhr er quer durchs Land und suchte gezielt nach Tieren, die andere Züchter als Fehlbildungen ausgaben. Willms begann, die Möpse mit „zu lang“ geratenen Nasen zu paaren.

Nach wenigen Generationen sahen Willms’ Welpen wieder so aus wie die Hunde auf den Ölgemälden.

Die Retro-Züchtung sei eingeschlagen wie eine Bombe, sagt Willms. Unzählige Anrufe habe er bekommen, von Leuten, die ihm berichteten, wie gern sie einen Mops hätten, den sie ohne schlechtes Gewissen halten könnten. Die Nachfrage nach Möpsen mit Nase steigt: Im ersten Jahr hat sein Verband 178 Welpen in die Zuchtbücher eingetragen. 2012 waren es bereits 500. Damit holt der ehemalige Außenseiterverband beinahe den größten deutschen Züchterverein ein: Der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) registrierte im vergangenen Jahr 545 neu geborene Mopswelpen.

Auch der VDH hat seine Rassestandards für den Mops mittlerweile abgeschwächt: Seit Ende 2010 fordern die Richtlinien nicht mehr, dass die Augen vorstehen, die Schnauze flach ist und eine Falte die Nase verdeckt. Zudem müssen alle Möpse nun einen Belastungstest bestehen: Nur wer 1000 Meter in zehn Minuten hinter sich bringt, wird zur Zucht zugelassen. Allmählich habe in der breiten Züchterschaft ein „Umdenkungsprozess“ eingesetzt, heißt es beim VDH. Der Vorstand spricht von einer Trendwende.

Die ist in der öffentlichen Wahrnehmung freilich noch nicht angekommen – obwohl Hobbyzüchter Thomas Zupan hart am Imagewechsel arbeitet. Der Berliner richtet das alljährliche „Internationale Mopstreffen“ aus, dessen Höhepunkt ein Wettrennen ist: Auf einer 50 Meter langen Strecke hoppeln Möpse um Pokale. Der Sieger schafft die Bahn diesmal in stolzen 6,2 Sekunden. Er wolle beweisen, dass Möpse keineswegs nur ein röchelndes Häufchen Elend seien, sagt Zupan. Er selbst besitzt acht altdeutsche, langbeinige Möpse. „Die können Sie neben dem Fahrrad herlaufen lassen, die rennen Ihnen davon“, versichert der Züchter.

Seit vier Jahren organisiert Thomas Zupan das Treffen. Seither kämen jedes Mal mehr altdeutsche Möpse dazu. „In diesem Jahr haben wir sogar erstmals mehr Sport- als Fettmöpse“, resümiert Zupan wenig charmant.

Die „Fettmops“-Fraktion rümpft derweil die Nase über den Retro-Look. „Ich brauche keinen Hund, der Rennen gewinnen kann“, sagt Wilma Milling. Ihr Paulchen hat es gerade mal auf den vorletzten Platz geschafft, röchelnd streckt der Kugel-Mops alle viere von sich. „Was soll’s.“ Dafür sei Paulchen ein fröhlicher, tiefenentspannter Begleiter.

 

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